Auf Schloss Ettersburg bei Weimar finden seit zehn Jahren jährlich etwa 50 Kulturveranstaltungen statt, das ambitionierte Cross-over-Programm bietet, verdichtet im PFINGST.FESTIVAL SCHLOSS ETTERSBURG, Jazz und Klassik, Lesungen und die ETTERSBURGER GESPRÄCHE, kleine Theateraufführungen und Liederabende. Guido Werner fotografiert – der erste war Armin Mueller-Stahl – seit 2014 Künstler, Intellektuelle, Schauspieler, Publizisten, Musiker… Mittlerweile sind über 120 Portraits entstanden.

Die Bilder entstehen meist kurz vor dem Auftritt. Guido hat selten mehr als drei, vier Minuten Zeit! Die Ausgangssituation ist also alles andere als entspannt, eher hektisch. Selbst bei Bühnenprofis überwiegt vor einer Performance die Anspannung. Doch durch das Portraitieren schafft Guido vor dem Auftritt noch einmal einen Moment der Ruhe, des Fokussierens, aber auch des Loslassens.

Das Wort Porträt leitet sich her vom lateinischen pro-trahere: hervorziehen! In Kunstgeschichten kann man lesen, Absicht ist es seit alters, das Wesen des Porträtierten zum Ausdruck zu bringen. Heute würde man sagen: die Persönlichkeit. Und es gibt die symbolische Bedeutung des Porträts: die Vertretung des aktuell Abwesenden durch das Bild. Guido Werner will etwas Unbekanntes in den meist vertrauten Gesichtern zeigen.

Aber vielleicht ist gerade das Unbekannte das Bekannte, das von uns Wiedererkannte? Guido Werner inszeniert nicht, er lässt Selbstinszenierung zu: auch der Mimik und Gestik. Er ermöglicht damit zunächst ein persönliches Bekenntnis. Es ergibt sich zugleich eine neue Kenntlichkeit für den Betrachter. Es ist ein freies, vielleicht eigentliches Sein-lassen in einem uneigentlichen Augenblick. Schloss Ettersburg steht für kulturelle Höhen und historische Brüche, steht für eine unendlich tiefe Kulturgeschichte. Guido Werners Arbeiten sind als Gesamtschau ein Beitrag zum ästhetischen Gedächtnis Ettersburg.